Sonntag, 30. Juli 2017

23.07.2017: Etappen III-5, III-6 (Goldberggruppe)

Fragranter Scharte (2.754 m)
Wie angedeutet war ja das Wetter nicht so rasend sicher dieser Tage. Für Anfang kommender Woche war sogar eine ordentliche Kaltfront angekündigt, wobei sich die Meterologen uneins waren, ob diese nun schon heute Sonntag durchziehen würde, vielleicht montags oder doch erst am Dienstag. Die Hüttenwirte und sonstige Locals, von denen es auf der Jubiläumsfeier auf der Hagener Hütte reichlich gab ("Bergschuhe sind ein Schas, nur mehr mit Crocs auf den Berg!"), glaubten den Wetterfröschen aber ohnehin kein Wort mehr. So gingen wir gestern am Hannoverhaus trotz positiver Vorhersage noch bei Regen los, kamen aber bei Sonne auf der Hagener Hütte an, obwohl am Nachmittag eigentlich Gewitter zu erwarten waren.

Auf jeden Fall keine guten Aussichten für den morgen Montag geplanten Aufstieg aufs Zittelhaus am Hohen Sonnblick, und den Klagenfurter Jubiläumsweg, der für Dienstag angedacht war. Dieser ist eine gut zehnstündige Gratüberschreitung über den Hocharn (3.254 m) und weitere sechs Dreitausender und erfordert wegen seiner Exponiertheit erstklassig stabiles Wetter.

Ein weiterer Punkt, der die Vorausplanung erschwerte: Peter entschied sich, aus konditionellen Gründen schon nach dem ersten Tourentag abzusteigen. Allerdings sollte morgen Markus aus dem Rauriser Tal zu uns zur Sonnblickbesteigung stoßen, eine willkommene Verstärkung auch für die anstehenden Gletscheretappen, die doch aus Sicherheitsgründen besser in Dreier- oder Viererseilschaft anzugehen wären.
Voll integriete Wolken!
Tal des Tauernbachs
Für heute taten wir uns mal mit Kai zusammen, den wir vorgestern am Hannoverhaus kennen gelernt hatten. Kai war auf seinem Thru-Hike alleine unterwegs; die gletscherferne 02A-Variante erschien ihm aber auch wenig interessant, weshalb er sich seine eigene Variante zusamenstoppelte, auf der er alle Gletscher lokal umgehen wollte. Er würde morgen auf talnäheren Kärntner Wegen Richtung Heiligenblut weiterwandern, evtl. auch für uns eine Variante beim angesagten Schlechtwetter. Aber was wäre dann mit Markus, der die heutige Nacht drüber dem Hauptkamm, im salzburgischen Naturfreundehaus Neubau verbringen würde, und der morgen auf der Rojacherhütte zu uns stoßen würde?
Auf der Feldseescharte (2.714 m)
Harte Jungs und Mädels
Die Etappe 5 aus dem Band 3 des 02er-Führers ist jedenfalls ebenso kurz wie schnell beschrieben: in der Flanke des Vorderen Geißelkopfes geht es stetig bergan bis auf die Feldseescharte mit dem Dr.-Weißgerber-Biwak. Dieses ist ein reiner Unterstand ohne Schlafgeglegenheit - bevor wer auf die Idee kommt. Kurz vor der Scharte holte uns auch der Wirt der Duisburger Hütte ein, den wir gestern auf der Feier schon kennengelernt hatten. Er hat den Frühschoppen auf der Hagener Hütte nach zwei Hellen sein lassen, schließlich gab es auch noch was auf der eigenen Hütte zu tun. Nach einem kurzen Abstieg zu einem unbenannten See geht es schließlich ohne wesentlichen Höhenunterschied auf dem Duisburg-Hannover-Weg zur Duisburger Hütte, die wir bereits mittags erreichten. Im Frühsommer ist hier wiederum mit lästigen, altschneegefüllten Rinnen zu rechnen - der Wirt der Duisburger kann da einiges von unguten Unfällen erzählen!
Unbenannter See unter der Feldseescharte 
Duisburg-Hannover-Weg
Die Hütte an sich ist zwar inklusive des Wirtspaares sehr sympathisch, doch hat das Mölltaler Gletscherschigebiet tiefe Wunden in die umliegende Landschaft gerissen. Zahlreiche Sprengungen und Baggereien und Liftanlagen lassen einen eher an ein riesiges Tagbaugebiet als an die Nachbarschaft eines hochalpinen Nationalparks denken. Dazu noch das langsam dahinsiechende Wurtenkees, das auch im Juli noch ein paar wenige Schifahrer beheimate, alles in allem ein unschönes Bild.
Duisburger Hütte (2.573 m)
Zerstörte Landschaft und kümmerlicher Rest des unteren Wurtenkees
Nach einer kurzen Rast wurde dann folgender Plan entwickelt: Gert zeigte sich ob der kläglichen Wetterprognose nicht von der Besteigung des Hohen Sonnblicks begeistert, er würde lieber umgehen. Da wir ja mit Kai unterwegs waren, der das ohnehin fix geplant hatte, könnten sich die beiden gut für den einen Tag zusammentun. Ich würde noch heute den Hauptkamm überqueren und am Abend mit Markus auf dem Naturfreundehaus Neubau zusammentreffen, morgen würden wir dann vor Ort entscheiden, ob das mit dem Sonnblick Sinn machen würde oder ob wir auch lieber weiter ins Tal absteigen. Dieser Tage konnte man am Berg ohnehin nur sehr kurzfristig entscheiden, zu labil war die Wetterlage.
Sonnblick und Hocharn von der Fragranter Scharte (2.754 m)
Schneebrettabgang bis auf's Gletschereis am Hocharnkees
Ich also alleine weiter durch die triste Trauerlandschaft, nach wenigen Kilometern auf Schipisten und Baustraßen ansteigend auf die Fraganter Scharte. Das Wetter hielt noch, und nach der Scharte erwartete mich eine andere Welt, die hier sehr wohl eines Nationalparks würdig war. Erst einmal der grandiose Anblick auf den eleganten Sonnblick, der allerdings neben dem breiten, arschartig geformten Hocharn ziemlich mickrig aussah. Dann das entzückende Hüttwinkltal mit dem sog. "Gletschertor" tief unten unten im Talboden, in das das auch nicht mehr ganz fit aussehende Goldbergkees ausrann. Dazu allerorts Spuren des Bergbaus aus dem 16.-19. Jahrhundert, die sich im Gegensatz zum Schigebiet in meinem Rücken sanft in die Landschaft einfügen. Eine so grandiose Landschaft, dass ich im kurzen Abstieg zum Neubauhaus noch zwo, dro längere Genusspausen einlegte, Zeit genug.
Bergbau im Talschluss des Hüttwinkltals

Rampe von der Mine zur ehem. Materialseilbahn
Der Abstieg zum Neubauhaus dann nur mehr eine Formalität, rechtzeitig vor denn ersten Regentropfen. Markus hatte es nicht so gut, stapfte er doch ca. eine Stunde später durch den Regen zu mir auf die Hütte. Nette Zusammenkunft, auch mit Jakob, einem Nord-Süd-Weitwanderer aus Hamburg bzw. ursprünglich Bayern, der sich für morgen auch einen Abstecher auf den Sonnblick vorgenommen hatte.
Eine Sache noch, die mich bewegt: warum schaffen es die Naturfreunde bzw. ihre Wirten, ein dreigängiges, wenn auch einfaches (Wurstnudeln halt - aber große Portion mit Salat!) Abendmenü um 11 Euro anzubieten? Ist es die soziale Gerechtigkeit? Auf Alpenvereinshütten kostet das mindestens 15, meist eher 20 Euro Aufpreis auf das Frühstück - gleich viel wie drei Gänge à la Carte. Für mich unverständlich, müsste es doch im logistischen Interesse der Wirten sein, dass möglichst viele das - in großen Mengen zuzubereitende - Fixmenü nehmen, damit weniger Leute Einzelgerichte wählen. So nehme ich meist halt nicht die Halbpension, bin eh auch kein Nachspeisentiger...

Eckdaten:
  • Etappe 5 (10 km): Hagener Hütte (2.448 m) - Feldseescharte (Dr.-Weißgerber-Biwak, 2.714 m, 4 km) - Duisburger Hütte (2.573 m)
  • Etappe 6 (2 km): Duisburger Hütte (2.573 m) - Fraganter Scharte (2.754 m), dann Abstieg zum Naturfreundehaus Neubau (2.176 m)
  • Nettogehzeit: ca. 4 plus 1 Std. bis Fraganter Scharte

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