Dienstag, 1. August 2017

24.07.2017: Etappe III-6 und zurück (Goldberggruppe)

Am Hohen Sonnblick (3.106 m)
Nach einer friedlichen Nacht im Naturfreundehaus Neubau, das fast zur Gänze von holländischen Familien bevölkert war (ein in Rauris wohnhafter holländischer Autor schrieb einen Familien-Bestseller über das Tal, jetzt wollen alle holländischen Familien nach Rauris...) verhieß der Morgen nichts Gutes. Nebelverhangen, tröpfelnd präsentierte sich der Himmel. Darüber hinaus warteten wir ja auch noch auf die Kaltfront, die uns nach aktuellen Stand im Laufe des Nachmittags erreichen sollte. So richtig glaubte niemand mehr an die Richtigkeit der Wetterprognosen dieser Tage. Aber der morgen anstehnde Klagenfurter Jubiläumsweg - eine mindestens 10stündige Gratüberschreitung auf 3000 m Höhe - erforderte nicht passables, sondern herausragend gutes Wetter, auf das es wohl keine Chance mehr gab.

Somit war recht rasch eine Entscheidung getroffen: den Sonnblick auslassen, statt dessen eine nette Runde hinauf auf die Rojacher Hütte und dann über das sogenannte "Gletschertor" und die Niedere Scharte zurück zur Duisburger Hütte. Zusammenkunft mit Gert, morgen wahrscheinlich mit dem Bus nach Heiligenblut, und dann mal wieder kurzfristig sehen, wie es weiter gehen könnte. Aber eigentlich sollte schon heute alles etwas anders kommen...

Wie schon im letzten Beitrag erwähnt, begleitete Markus und mich Jakob, der auf der (relativ neuen) Alpendurchquerung Salzburg - Triest unter wegs war. Hierzu gibt es ein relativ neues und offenbar sehr begehrtes Büchlein eines explizit veganen Weitwanderers, waren doch noch zwei andere am Neubauhaus, die auf diesem Weg unterwegs waren. Zu dritt machten wir uns also trotz mäßigen Wetters - daher ziemlich spät - an den Aufstieg, Jakob würde von der Farganter Scharte alleine wieder zum Neubauhaus zurückkehren.
Rückblicke zum Goldberggletscher vom Südostgrat
Die Rojacher Hütte war dann auch schnell erreicht und wir kehrten auf einen kleinen Schnapstee ein, der das feucht-neblige Wetter erträglich machen sollte. Die allerliebste, winzige Hütte wird von einem Pärchen geführt, verfügt über 10 Matratzenlager und einen Gastraum mit einem Tisch, der gleichzeitig die Küche ist. Wirklich noch wie früher. Als wir da so sitzen und beim Fenster hinaus blicken, reisst es plötzlich auf. Wir und Patrick, der Wirt, waren uns schnell einig, dass jetzt eigentlich ein günstiges Zeitfenster für die Sonnblickbesteigung wäre. In spätestens drei Stunden wären wir wieder herunten, und könnten dann locker auch noch bei mäßigen Bedingen den Übergang auf die Duisburger Hütte schaffen. Die nächsten zwei Stunden sollten allerdings die letzten bleiben, die heute noch "mäßige" Bedingungen boten, bevor es wirklich schlecht wurde...
Noch mehr Rückblicke
Learning Nr. 1: auch wenn es für den Moment gut aussieht und andere einen motivieren - wenn ein Kaltfronteinbruch angesagt ist, sollte man doch recht zurückhaltend mit 3000er-Besteigungen sein.
Wir jedenfalls Ruck-Zuck hinauf auf den Südostgrat. Wie die Teufeln gaben wir Gas und waren auch nach wenig mehr als einer Stunde am Zittelhaus. Der Grat steigt gleichmäßig an, oft ausgesetzt, mit einigen versicherten Steilstufen versehehen, aber nie technisch besonders schwierig. Für Jakob war es sein erster Dreitausender, und er machte sich verdammt gut. Erst gegen Ende flacht der Grat deutlich ab, und auf einer Art halbnatürlicher Pflasterung geht es die letzten Meter hinauf auf den Gipfel.
Gut markiert und versichert
Oben dann interessantes Zusammentreffen mit dem (einsamen, Personal wegen Schlechtwetters ins Tal geschickt) Wirten vom Zittelhaus, dem ich 15 Euro Anzahlung pro Person überwiesen hatte: wie oft ist wohl schon wer zu ihm heraufaufgestiegen, um PERSÖNLICH die Nächtigungsreservierung zu stornieren? Nach kurzem Verhandeln hat er uns immerhin die Konsumation gegengerechnet, danke! Nach einem Drink und einem Imbiss ging es flux wieder hinab vom Berg: von Sonne war nichts mehr zu sehen und zu nieseln hatte es auch wieder begonnen. Um die Sache zu beschleunigen, fuhren wir größtenteils den Gletscher in Gratnähe ab. ACHTUNG: wirklich immer im Nahebereich des Südostgrats bleiben, orographisch weiter rechts gibt es Spalten! Am Ende des Gletschers kommt man zu einem Felsband, wo man sich links unter einer Flanke hält und sodann ein steiles Schneefeld quert. Dort sieht man schon die Markierung am Südostgrat, und ist nach ca. einer Viertelstunde wieder auf der Rojacher Hütte.
Steiler Südostgrat auf den Sonnblick
Hier nochmal kurz "hallo" gesagt und dann schnell weiter Abstieg zum Gletschertor. Von hier "spazierte" Jakob hinaus zum Neubauhaus und wir stiegen erneut Richtung Niederer Scharte auf.
ACHTUNG: die Wegführung auf den meisten Karten über die Reste des Goldbergkees entspricht NICHT mehr dem Weg in der Natur - hier wird gletscherfrei über einen nordwestlich exponierten Rücken vom Gletschertor aufgesteigen.
Wie gepflasterter Grat
Learning Nr. 2: Im Zweifelsfall lieber ab- statt aufsteigen!
Bereits im Abstieg zum Gletschertor meinte Markus, wie sich das Wetter entwickelte, sollten wir lieber alle zum Neubauhaus zurück. Ich wollte aber Gert nicht alleine eine weitere Nacht auf der Duisburger hocken lassen, und habe daher auf einen Aufstieg gedrängt. Muss ich auf meine Kappe nehmen.
Letzter, flacher Gratabschnitt zum Zittelhaus
Learning Nr. 3 Die Wegzeitverlängerung bei Schlechtwetter nicht unterschätzen!
Gestern hatte ich im Absteig von der Fraganter Scharte zum Neubauhaus keine eineinhalb Stunden gebraucht. So viel länger könnte der Weg von der Rojacher Hütte hinauf auf die Niedere Scharte, hinüber zur Fraganter Scharte auch nicht sein. Weit gefehlt: erstens ist die Entfernung schon mal länger, was man leicht aus der Karte hätte herauslesen können (2,9 va. 2,6 km), zweitens ist es kein Abstieg, sondern ein Abstieg UND dann ein Aufstieg von 450 hm. Drittens setzte am Gletschertor Schneetreiben ein, auf ca. halbem Aufstieg wurde es auch sehr plötzlich bitter kalt. Im Endeffekt hatten wir statt der geschätzten zwei deutlich über drei Stunden für den Übergang gebraucht.
Zittelhaus mit Wetterstation (3.106 m)
Learning Nr. 4: Lieber einmal zu oft als zu selten auf die Karte schauen - auch bei Schlechtwetter, wenn die Karte im Rucksack ist.
Wir hatte bereits am Gletschertor große Probleme beim Queren des plötzlich zu einem reissenden Strom angewachsenen Gletscherbachs, der auch gleich mehrere Seen speiste, die gestern noch nicht da waren. Markus schlug vor, stromab bis zur Brücke zu gehen. Das wäre ein viel zu großer Umweg dachte ich, ca. 1,5 km, hatte ich die Brücke doch gestern gesehen. Dass sich nur ca. 500 m stromabwärts eine zweite Brücke befand, hätte ich in der Karte sehen müssen... habe aber nicht geschaut. Irgendwie haben wir es mit feuchten Füßen dann aber geschafft. Nach einem elenden Aufstieg, hauptsächlich durch Geröll, bei dem wir mehrmals die Markierung verloren, fanden wir uns völlig entkräftet auf der Niederen Scharte (2.696 m) wieder. Von hier aber musste auf dem Tauernhöhenweg noch in schwierigem Gelände der Goldbergtauernkopf (2.776 m) überschritten werden, um auf die Fraganter Scharte (2.754 m) und damit zum Abstieg zum Hochwurtenspeicher zu gelangen - nochmal eine gute halbe Stunde. Wie uns der Wirt der Duisburger Hütte später eröffnete, gibt es auch von der Niederen Scharte einen direkten Weg hinunter zum Speicher - in der Kompasskarte, die ich im Rucksack hatte, ist der sogar als markiert eingezeichnet (in der digitalen ÖK 50 hingegen war er nicht zu erkennen, er war auch nicht am Wegweiser bezeichnet). Bei der schlechten Sicht haben wir uns ohne Blick in die Karte einen Abstieg ins Blaue aber nicht zugetraut.
Im vollen Schneetreiben zurück auf der Fraganter Scharte (2.754 m)
Jedenfalls schafften wir es kurz nach 7 Uhr völlig entkräftet und unterkühlt auf die Duisburger Hütte. Eine Erkältung, die mir heute, eine Woche später, noch nachhängt, erinnert mich noch an diese Fehler und Learnings. Mit dem Hochgebirge ist nicht zu spaßen, kein Vergleich zu den zahlreichen Touren in der Höhenlage um die 2000 m, die ich hinter mir habe. Da heißt es immer noch einiges zu lernen...

Eckdaten:
  • Etappe 6 (2 km): (kommend vom Naturfreundehaus Neubau -) Rojacher Hütte (2.718 m) - Zittelhaus (3.106 m, K) - Rojacher Hütte (2.718 m) - Niedere Scharte (2.696 m) - Fraganter Scharte (2.754 m) (weiter zurück zur Duisburger Hütte)
  • Nettogehzeit: ca. 1½ Aufstieg aufs Zittelhaus, von dort ca. 4 Stunden zurück auf die Fraganter Scharte (Schneesturm)

1 Kommentar:

  1. Hallo Sebastian.
    Mit einem guten Jahr Abstand Deine Seite (wieder)entdeckt und nedlich mal im Detail mitbekommen, wie es Euch erging. Ich hatte Schneesturm dann erst ein paar Tage später zwischen Heiligenblut und Glorer Hütte, dafür an jenem Tag den endlos langen Marsch ins Tal durch den Starkregen auf der Gletscherstraße (Fußweg überflutet), Sonne an der Talstation und dann nochmal Regen kurz vor dem Fraganter Schutzhaus.
    Schöne Grüße
    Kai.

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